Wissenschaft als Beruf an autonomen Hochschulen Wissenschaftstarifvertrag endlich in die Tat umsetzen!

Beschluss der Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschafts-, Hochschul- und Technologiepolitik von Bündnis 90 / Die Grünen vom 2.12.2003

 

1. Warum ein Wissenschaftstarifvertrag?

Die Stärkung der Hochschulautonomie ist – auch auf Initiative von Bündnis90/ Die Grünen – zu einem wichtigen Ziel der Hochschulpolitik geworden: Hochschulen sollen unabhängig von staatlicher Detailsteuerung eigenständig handlungsfähig werden. Erste Erfolge sind sichtbar: Schrittweise gehen Kompetenzen von den Ministerien an die Hochschulen über, auf staatliche Genehmigungsvorbehalte wird mehr und mehr verzichtet. Neue Studiengänge müssen vielfach nicht mehr staatlich genehmigt werden, sondern werden akkreditiert. Novellierte Hochschulgesetze werden daran gemessen, in wie weit sie die Autonomie der Hochschulen stärken. (Vgl. Stifterverband (Hrsg.): „Qualität durch Wettbewerb und Autonomie: Landeshochschulgesetze im Vergleich“, Essen, August 2002)

Die Bediensteten der Hochschulen sind aber nach wie vor Landesbedienstete und den entsprechenden personalrechtlichen Regelungen unterworfen. Auf die Ausgestaltung dieser Regelungen haben Hochschulen und auch WissenschaftsministerInnen keinen Einfluss. Das hat Folgen: Viele Tätigkeiten, die an Hochschulen ausgeübt werden, können nur mit Mühe in diesem Rahmen beschrieben werden. Notwendige Umstrukturierungsprozesse werden behindert. Eine leistungsorientierte Bezahlung wird erschwert. Die für die Wissenschaft typischen Qualifikationsphasen werden kaum abgebildet, die Mobilität zwischen unterschiedlichen Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen und der Industrie wird erschwert. Noch immer finden viele hochqualifizierte WissenschaftlerInnen prekäre Arbeits- und Abhängigkeitsverhältnisse vor. Dies betrifft insbesondere auch jüngere WissenschaftlerInnen, denen die jüngst im HRG geschaffene 12-Jahres-Regel einerseits Vorteile bringt, andererseits aber ihre Flexibilität einschränkt. Sie kann durch tarifliche Vereinbarungen entschärft werden.

Wissenschaftliche Ausbildung und Forschung sind wichtige Zukunftsbereiche für die Gesellschaft. Wir wollen den sie tragenden Institutionen und Personen optimale Entwicklungsmöglichkeiten geben.

 

2. Die wichtigsten Handlungsfelder (vgl. auch Papier der hochschulpolitischen SprecherInnen von Bündnis 90 / Die Grünen vom September 1999)

2.1 Mehr Autonomie

Grüne fordern seit langem, den Hochschulen die Dienstherreneigenschaft bzw. den Arbeitgeberstatus zu übertragen. Letztlich berührt dies auch die Debatte um die Rechtsform der Hochschulen.

Wir hielten es auch für einen erheblichen Fortschritt, wenn die tariflichen Bestimmungen für die Wissenschaft von Tarifpartnern vereinbart würden, die dem Wissenschaftsbereich nahe stehen. Im Augenblick sind die federführenden Ressorts in der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) in der Regel die Innenressorts der Länder und das Bundesinnenministerium. Es ist nicht erstaunlich, dass in dieser Konstellation bisher keine wissenschaftsadäquaten Tätigkeitsmerkmale formuliert wurden und dass beispielweise FachhochschulabsolventInnen noch immer einen sehr eingeschränkten Zutritt zum Höheren Dienst haben.

Ein eigener Wissenschaftstarifvertrag könnte den Wissenschaftsinstitutionen die notwendige Flexibilität geben, bei sich verändernden Aufgabenschwerpunkten oder Strukturen auch entsprechende Veränderungen der Personalstruktur und der Aufgabenzuweisungen sowie Arbeitsplatzbeschreibungen vorzunehmen. Sie könnten nicht nur WissenschaftlerInnen mit entsprechender Ausbildung und Kompetenz einstellen, sondern sie in eigener Verantwortung weiter qualifizieren und sie durch eine differenzierte Bezahlung motivieren und an die Arbeitsstelle binden.

Als Indiz für eine größere Autonomie der Hochschulen wird oft eine abnehmende Regelungsdichte der Hochschulgesetze angesehen. Durch einen Wissenschaftstarifvertrag würde die Regelungsdichte in den Hochschulgesetzen tatsächlich erheblich reduziert. Im HRG und in den Landesgesetzen würden viele Regelungen zum wissenschaftlichen Mittelbau und zum wissenschaftlichen Nachwuchs obsolet. Sofern der Wissenschaftstarifvertrag auch JuniorprofessorInnen und – in einem späteren Schritt – auch ProfessorInnen umfasst, entfielen zusätzliche Regelungen, u.a. auch im Besoldungsrecht für Beamte.

2.2 Wissenschaftsadäquate Regelungen

Für die Ausgestaltung von Dienstrecht und Arbeitsverhältnissen für WissenschaftlerInnen an öffentlichen Institutionen gelten neben HRG und Landeshochschulgesetzen eine Reihe von Regelwerken: Der Bundesangestelltentarif BAT, das Kündigungsschutzrecht, Teilzeit- und Befristungsgesetz und andere arbeitsrechtliche Vorschriften. Diese Regelungen gehören zum Teil zum allgemeinen Arbeitsrecht, zum andern Teil gelten sie für alle Bereiche der staatlichen Verwaltung. Besonders der BAT entspricht – trotz seiner rund 17.000 Eingruppierungsmerkmale – nicht den heutigen Anforderungen an ein Dienst- und Arbeitsrecht im Wissenschaftsbereich, das ein praktikabler Rahmen für unterschiedliche Formen und Dauer wissenschaftlicher Tätigkeit, für praxisgerechte Zuordnung von Kompetenzen und Aufgaben, für Leistungsanreize und für Arbeitsplatzsicherheit sein soll.

Ein Wissenschaftstarif muss Arbeitsverträge ermöglichen, die dem unterschiedlichen Charakter der Tätigkeit als Qualifikationsprojekt, als zeitlich befristete Aufgabe oder Daueraufgabe angepasst sind. Den Beschäftigten, die Wissenschaft als Beruf betreiben wollen, muss er ein Höchstmaß an Möglichkeiten geben, ihre berufliche Tätigkeit über ein ganzes Arbeitsleben hin auszuüben.

Selbst wenn der BAT durch einen Wissenschaftsvertrag ersetzt wird, kann eine für das Berufsfeld ‚Wissenschaft‘ adäquate Ausgestaltung nach Lage der Dinge wohl nicht ohne Eingriff in das Arbeitsrecht (vor allem Kündigungsschutzrecht) erfolgen. Dabei sind die verfassungsrechtlichen und europäischen Vorgaben zu berücksichtigen.

Ein Wissenschaftstarifvertrag muss die Unterschiede zwischen BeamtInnen- und Angestelltenstatus zugunsten einer einheitlichen Beschäftigung im Angestelltenverhältnis abschaffen. Wissenschaft ist keine hoheitliche Aufgabe.

2.3 Qualifikationsphase neu ordnen

Hinsichtlich der Qualifikationsphase sollte der Grundsatz gelten, dass eine Entscheidung in der Biographie für oder gegen eine wissenschaftliche Laufbahn in der Regel nach der Promotion erfolgt. So kann auch die 12-Jahres-Regel, die allein als eine zeitliche Begrenzung angelegt ist, in ihren Auswirkungen entschärft werden.

Gegenwärtig laufen Bemühungen, die Promotionsphase stärker zu strukturieren (DoktorandInnenstudium, Graduiertenkollegs, Graduate schools etc.). Im HRG sind die DoktorandInnen zwar als Mitglieder der Hochschule genannt. Personalrechtlich sind sie aber nicht abgebildet. Promoviert wird mal auf Stellen, mal mit Hilfe von Stipendien. Eine realitätsnahe Tätigkeitsbeschreibung für DoktorandInnen oder PostdoktorandInnen lässt sich aus den Tätigkeitsmerkmalen des BAT nicht ableiten.

Die 5. HRG-Novelle in Verbindung mit der Dienstrechtsreform bietet ein Konzept für die Berufsperspektive ‚Professur‘ an (postgraduale Qualifikation über Juniorprofessuren), das aber in sich nicht ganz schlüssig ist und Risiken hauptsächlich den Betroffenen anlastet. Für diejenigen, die eine nichtprofessorale wissenschaftliche Tätigkeit als dauerhafte Berufsperspektive anstreben (früher ‚akademischer Mittelbau‘ genannt), ist kein zukunftsweisendes Konzept vorhanden, das dieses Berufsbild ‚WissenschaftlerIn‘ mit den spezifischen Anforderungen der wissenschaftlichen Institutionen vermittelt und rechtlich absichert.

2.4 Mobilität, Transfer, gesellschaftliche Einbindung

Das Konzept des lebenslangen oder lebensbegleitenden Lernens geht davon aus, dass sich in Berufsbiographien künftig Phasen der Erwerbstätigkeit und Qualifikationsphasen immer wieder abwechseln. Deshalb müssen die Übergänge von der Hochschule in andere gesellschaftliche Bereiche und in die Privatwirtschaft erleichtert werden. Wissenstransfer geschieht über Köpfe. Nur durch den Austausch kreativer Ideen und durch Mobilität können Innovationen entstehen und der Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft aufrecht erhalten werden.

Ein neues Personalstatut könnte dazu beitragen durch

• die Nutzung der Postdocphase als Orientierungsphase in die Wissenschaft oder aus ihr heraus;

• mehr Durchlässigkeit zwischen Tätigkeiten in- und außerhalb des öffentlich geförderten Wissenschaftssystems – auch für unbefristet Beschäftigte

• Ausweitung von Teilzeitregelungen für ProfessorInnen und MitarbeiterInnen, um die Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis zu stärken, zur Flexibilisierung von Lehr- und Forschungsverpflichtungen und zur Förderung von WissenschaftlerInnen mit Kindern.

 

3. Was wurde bisher erreicht?

In der Wissenschaftspolitik wird schon seit langem über die Reform der Personalstruktur diskutiert. Die letzten gravierenden Änderungen stammen aus den 70er Jahren.

Die Rot-Grüne Koalition hat diese Thematik in der letzten Legislaturperiode aufgegriffen. Die 5. HRG-Novelle und das Hochschullehrerbesoldungsgesetz, die im Jahr 2001 beschlossen wurden, verankern eine leistungsbezogene Komponente bei der Vergütung von Professorinnen und Professoren und regeln den Qualifikationsweg zur Professur neu, indem die Juniorprofessur als Regelvoraussetzung genannt, der klassische Weg der Habilitation aber nicht, wie zunächst geplant, abgeschafft wird.

Außerdem wurde die unter NachwuchswissenschaftlerInnen heftig diskutierte „12-Jahres-Regelung“ geschaffen, deren Auswirkungen auch heute noch nicht klar einzuschätzen sind, da verschiedene neue Entwicklungen im Arbeitsrecht eine Rolle spielen (Teilzeit- und Befristungsgesetz, europäische Rahmenregelungen, kaum Erfahrungen mit der Rechtsprechung) und die Umsetzung der Juniorprofessur in Landesrecht teilweise noch nicht erfolgt ist. Dementsprechend ist auch die Praxis an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen noch uneinheitlich.

Veränderungen im Bereich der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat die Bundesregierung nicht selbst auf den Weg gebracht, sondern auf die Notwendigkeit eines reformierten BAT oder eines eigenständigen Wissenschaftstarifvertrags verwiesen, der von den Tarifpartnern ausgehandelt werden muss. Erste Gespräche zwischen Gewerkschaften und TdL verliefen jedoch schnell im Sande. Auch ein von der Bundesregierung angekündigter Modellversuch in Form eines Haustarifvertrags bei der Fraunhofer-Gesellschaft ist bisher nicht zu Stande gekommen.

Das Thema Wissenschaftstarifvertrag wurde von den Koalitionspartnern ausdrücklich für die neue Legislaturperiode aufgegriffen. Im Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis90/ Die Grünen vom Oktober 2002 heißt es: „Mit einem Wissenschaftstarifvertrag für Hochschulen und Forschungseinrichtungen wollen wir den besonderen Bedingungen in Wissenschaft und Forschung Rechnung tragen und Mobilitätshemmnisse zwischen Wissenschaft und Wirtschaft abbauen. Unser Ziel ist die zügige Schaffung von Bedingungen, die den Realitäten des hochdynamischen Arbeitsmarktes in Wissenschaft und Forschung gerecht werden.“ (S. 33)

Diese Formulierung im Koalitionsvertrag stieß auf breiten Beifall z.B. von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Kurz gesagt: Alle wollen den Wissenschaftstarifvertrag, aber verfolgen teilweise gegensätzliche Ziele. Beispielsweise begrüßt es die HRK, wenn erheblich mehr befristete Beschäftigungsverhältnisse abgeschlossen werden können, während GewerkschaftlerInnen eher nach einer Verbreiterung des Mittelbaus und einer höheren Sicherheit für die Beschäftigten rufen.

 

4. Kernpunkte eines grünen Konzepts

4.1. Wissenschaftstarifvertrag oder BAT?

Es soll langfristig einen einheitlichen Wissenschaftstarifvertrag (WT) für ProfessorInnen und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben, die an öffentlichen Hochschulen und öffentlich geförderten Forschungseinrichtungen tätig sind. Im WT dürfen die einzelnen Gruppen mit ihren Tätigkeitsprofilen aber nicht über einen Kamm geschoren, sondern müssen differenziert behandelt werden.

Um Mobilität zu erleichtern und faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, sollte der WT gleichermaßen für MitarbeiterInnen der Universitäten, der Fachhochschulen und der außeruniversitären Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen (MPG, FhG, HGF, WGL) gelten.

In der pragmatischen Umsetzung dieser langfristigen Ziele können unterschiedliche Wege gegangen werden:

1.Spartentarifvertrag für die Wissenschaft: Die Diskussion um den WT könnte in einem ersten Schritt nur für den bisher tariflich geregelten Bereich – also unter Ausklammerung des Beamtenrechts – geführt werden. Der WT würde demnach für alle wissenschaftlichen Beschäftigten mit Ausnahme der Professorinnen und Professoren gelten und damit den BAT ersetzen. Derzeit noch existente Beamtenstellen wie Akademische Räte, Oberingenieure u.ä. sollten jedoch auslaufen und vor Wiederbesetzung in Angestelltenstellen umgewandelt werden.

2.Tariffenster für Wissenschaft im BAT: Da öffentliche Arbeitgeber wie Gewerkschaften offenbar an einem einheitlichen Tarifwerk für den öffentlichen Dienst festhalten wollen, ist auch daran zu denken, tarifliche Regelungen für die Wissenschaft innerhalb des BAT – also nicht in einem eigenen Wissenschaftstarifvertrag – zu schaffen. Die derzeit laufenden Gespräche über die Reform des BAT, die bis 2005 zum Ziel geführt werden sollen, könnten genutzt werden, um solche wissenschaftsadäquaten Regeln zu verhandeln. Dies scheitert bisher an den öffentlichen Arbeitgebern, die bis jetzt nicht einmal bereit sind, den Wissenschaftsbereich als einen solcher „Fenster“-Bereiche anzuerkennen, über den weiter mit den Gewerkschaften gesprochen werden soll.

4.2 Tarifpartner und Tarifautonomie

Die primäre Aufgabe der Politik hinsichtlich des Wissenschaftstarifvertrags besteht darin, einen Tarifraum für den Bereich der Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu eröffnen und die Tarifpartner festzulegen. Die inhaltlichen Vereinbarungen obliegen dann den Tarifpartnern. Unser Ziel ist dabei klar:

Langfristig sollen die Hochschulen Arbeitgeberstatus bekommen (die meisten Forschungseinrichtungen haben diesen bereits). Tarifpartner sollten Hochschulen auf der einen und die Gewerkschaften auf der anderen Seite sein. Es wird sich dann für die Hochschulen vermutlich als praktikabel herausstellen, Arbeitgeberverbände zu gründen, die als Verhandlungspartner fungieren. Während die Gewerkschaften auch im neuen Modell Tarifpartner bleiben, geht diese Eigenschaft auf der Arbeitgeberseite von der TdL auf die Hochschulen über.

In einem ersten Schritt müssen die Hochschulen und Forschungseinrichtungen nicht sofort den Arbeitgeberstatus erhalten. Sie sollten aber dennoch an den Verhandlungen beteiligt werden. Außerdem sollte zwischen TdL und Gewerkschaften im Flächentarifvertrag nur ein Rahmen ausgehandelt werden, der von den Hochschulen ausgestaltet werden kann. Die Hochschulen sollten beispielsweise über Modelle der leistungsorientierten Vergütung, über Lehrdeputate, Aspekte der Arbeitszeit eigenständig entscheiden können. Ein solches Modell wird mit Erfolg z.B. in Schweden praktiziert.

Um die Notwendigkeit eines Tarifwerks für die Wissenschaft zu untermauern, formulieren wir im folgenden dringende wissenschaftspolitische Verbesserungsbedarfe, die durch ihn erfüllt oder begleitet werden können. Ob und in welcher Form dies realisiert wird, obliegt den Tarifpartnern in ihrer Autonomie.

4.3 Personalgruppen

Der WT hat grundsätzlich zum Ziel, die Tarifstrukturen und das Arbeitsrecht den derzeitigen Realitäten der Wissenschaft anzupassen. Hierfür erscheint es zunächst vernünftig, die faktisch vorhandenen fünf Gruppen von wissenschaftlichem Personal im WT abzubilden. Außerdem sollten Regelungen für studentische Hilfskräfte getroffen werden:

1. ProfessorInnen und andere leitende WissenschaftlerInnen

2. Andere wissenschaftliche MitarbeiterInnen (dauerhaft beschäftigt)

3. Wissenschaftliche MitarbeiterInnen im Drittmittel- und Projektbereich (befristet beschäftigt)

4. MitarbeiterInnen im wissenschaftlichen Service, im technischen und Bibliotheksdienst

5. MitarbeiterInnen, die befristet in der Qualifizierungsphase beschäftigt sind (WHK, DoktorandInnen, Postdocs)

6. Studentische MitarbeiterInnen

Erläuterungen:

MitarbeiterInnen in der Hochschulverwaltung bleiben hier zunächst unberücksichtigt. Sie haben zumeist eine Verwaltungsausbildung und -karriere gemacht, ihre Tätigkeiten sind nach den Kriterien der allgemeinen Verwaltung beschreibbar und sie können grundsätzlich wieder in andere Bereiche außerhalb der Hochschulverwaltung wechseln. Dennoch gibt es wachsende Aufgaben im Bereich des Wissenschaftsmanagements, in der Evaluation und Akkreditierung von Angeboten, in der Neustrukturierung von Studiengängen, in der Gestaltung von Forschungsprogrammen, in der Organisation größerer und autonomerer Fakultäten. Diese Aufgaben an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Verwaltung sollten in einem Tarifwerk für die Wissenschaft berücksichtigt werden. Möglicherweise wäre eine siebte Personalgruppe „WissenschaftsmanagerInnen“ ein richtiger Ansatz dazu.

Die studentischen Hilfskräfte spielen heute eine wichtige Rolle im Bereich des wissenschaftlichen Service. Dies sollte durch die adäquate Bezeichnung „studentische MitarbeiterInnen“, durch Tätigkeitsbeschreibungen, die den Qualifizierungsaspekt betonen, und eine geregelte Vergütung anerkannt werden.

4.4 Befristet und unbefristet beschäftigte wissenschaftliche MitarbeiterInnen

Neu an dem hier vorgelegten Konzept ist, die Personalgruppen 2. und 3. einerseits als tragende Bestandteile der wissenschaftlichen Personalstruktur anzuerkennen, andererseits aber auch die Regelungsbedarfe für beide Gruppen klar zu differenzieren. Es sollte ebenso legitim sein, auch nach Abschluss der Qualifizierungsphase in befristeten Projekten Berufserfahrungen zusammeln, wie es legitim sein sollte, die Wissenschaft auf Dauer zum Beruf zu machen, ohne eine Professur anzustreben (vgl. dazu auch 4.10).

Dies lehnt sich an Konzepte des „einheitlichen Lehrkörpers“ z.B. von Michael Daxner (vgl. Michael Daxner: Ist die Uni noch zu retten? Reinbek 1996) an. Sie sind eine Kritik an der zu starken Orientierung an der Professur als „Königsweg“: Der dauerhafte Verbleib im Wissenschaftssystem ist derzeit in der Regel nur möglich, indem der stetige Weg der Qualifizierung gewählt wird, in der Hoffnung, dass er (mit allen denkbaren Unwägbarkeiten und Zufälligkeiten) bis zur Professur führt. Alternativen dazu sind oft prekäre „Projektkarrieren“ oder aber der erzwungene Ausstieg aus dem Wissenschaftsbereich.

Doch nicht alle, die Wissenschaft als Beruf betreiben wollen, streben einen Lehrstuhl an. Und nicht für alle, die geeignet wären, stehen zum richtigen Zeitpunkt leitende Stellen offen. Es ist daher gut vorstellbar, dass für einen gewissen Teil der Promovierten unbefristete Stellen im „wissenschaftlichen Mittelbau“ zur Verfügung stehen, die dem Fachbereich oder der Fakultät zugeordnet sind (zur Anzahl und Funktion vgl. 4.8). Sie bearbeiten wechselnde Forschungsprojekte und werden zu tragenden Säulen der 3 vgl. Michael Daxner: Ist die Uni noch zu retten? Reinbek 1996 Forschung und der Lehre in einem Fach (Gerade mit Einführung modularisierter Studiengänge ist eine verbesserte Betreuung der Studierenden, etwa nach angelsächsischem Vorbild, verbunden. Flexible Zeitanteile für Forschung und Lehre bei ProfessorInnen und – vor allem – bei den anderen Mitgliedern des Lehrkörpers können dies gewährleisten.) Sie können sich im Laufe der Jahre auf Professuren bewerben, sofern sie dies wollen. Durch leistungsgerechte Bezahlung, Antragsrecht bei der DFG und ähnliche Maßnahmen können solche Positionen durchaus attraktiv sein, auch wenn sie dem fachlichen Weisungsrecht der ProfessorInnenschaft unterliegen. Sie sind MitarbeiterInnen der Hochschule und müssen bereit sein, sich auf wechselnde Forschungsausrichtungen und wissenschaftliche Methoden in ihrem Fach und über Fächergrenzen hinweg einzulassen.

4.5 Tätigkeitsprofile

Die Differenzierung der Personalgruppen 2. und 3. ist von analytischem Nutzen, muss aber durch die Beschreibung typischer Tätigkeitsprofile operationalisiert werden. In der Forschung gibt es Daueraufgaben wie den Betrieb eines größeren Forschungsgeräts und zeitlich befristete Aufgaben wie die Bearbeitung eines bestimmten Projektes. In der Lehre gibt es typische Daueraufgaben wie die Mitwirkung an der grundständigen Ausbildung der Studierenden, aber auch befristete Aufgaben wie die Vermittlung von Kenntnissen aus einem Spezialgebiet oder aus der Forschungspraxis eines Projekts. Weitere Daueraufgaben sind Tätigkeiten im Technologietransfer oder in der Wissenschaftsverwaltung.

Die explizite Definition solcher Tätigkeitsprofile – und damit auch Befristungsgründe – im Tarifwerk stellt eine größere gegenseitige Verbindlichkeit im Verhältnis zwischen Arbeitsgeber und ArbeitnehmerIn her. Zudem wird der arbeitsrechtliche Interpretationsspielraum verringert, was die Zahl und Unberechenbarkeit von Prozessen vor den Arbeitsgerichten eindämmen dürfte. Beispielweise würde so die im HRG eingeführte „12-Jahres-Regel“ für die befristete Beschäftigung an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen endlich einheitlicher und verlässlicher gehandhabt werden.

Die Definition von Tätigkeitsprofilen bietet auch Chancen zur Stärkung der Lehre. Sie würde nicht mehr nur abstrakt als Aufgabe in den Arbeitsverträgen für wissenschaftliche MitarbeiterInnen genannt, sondern quantifiziert: Je nach Neigung des/der betreffenden MitarbeiterIn (und auch der ProfessorInnen) und nach Bedarf der Fakultät könnten beispielsweise unterschiedlich hohe Lehrdeputate vereinbart werden. Bei ProfessorInnen und Mitgliedern des dauerhaft beschäftigten „Mittelbaus“ (Gruppe 2) kann dies bis hin zur Einrichtung von „Lebenslehrzeitkonten“ analog zu Lebensarbeitszeitkonten führen, so dass auf die wechselnde studentische Nachfrage flexibel reagiert werden kann. Es ist klar, dass sich solche Überlegungen in einem Spannungsfeld bewegen: ‚Lehrknechte‘ ohne Rückbindung an Forschung oder eine fachlich zu wenig innovative Forschung des dauerhaft beschäftigten Personals führen zu Qualitätseinbußen in Lehre und Forschung. Andererseits erfordern zunehmende Qualitätsansprüche an die Lehre auch eine größere Professionalisierung des Lehrbetriebs und damit entsprechende Stellen für WissenschaftlerInnen, deren vorwiegende Aufgabe die Lehre ist. Eine Möglichkeit ist es, die Verzahnung und gegenseitige Rückbindung von Forschung und Lehre durch besondere, aber nicht zu einseitige Tätigkeitsprofile für überwiegend in der Forschung („Senior Scientist“) oder überwiegend in der Lehre („Senior Lecturer“) eingesetzte WissenschaftlerInnen gesichert werden.

Die Notwendigkeit einer inneren Differenzierung und Fundierung der Personalgruppen 2. und 3. nach Tätigkeitsprofilen macht folgende Überlegung deutlich: Es ist durchaus denkbar, dass dieselbe Person zum Teil ein Tätigkeitsprofil der Personalgruppe 2., zum anderen Teil der Personalgruppe 3. ausführt, also zu einem Teil der Arbeitszeit befristet und zu einem anderen unbefristet beschäftigt ist.

4.6 Sachgerechte, faire Qualifizierungswege

Die Gruppe der DoktorandInnen sollte zugleich eine Statusgruppe und eine eigenständige Personalkategorie bilden. Vorbild dafür könnte beispielweise die norwegische Regelung sein. Dies stellt auch klar, dass die Promotionsphase die erste Phase von „Wissenschaft als Beruf“ ist und nicht – wie nach derzeitigem Diskussionsstand im Bologna-Prozess – die letzte Phase des Studiums. Der Wissenschaftstarifvertrag sollte Stellen und Stipendien zulassen, aber für gleiche Qualifizierungsbedingungen sorgen. Er sollte eine adäquate Tätigkeitsbeschreibung enthalten (Anteilige Zeiten für Promotion, Service und Lehre), aber für Sonderwege wie die nebenberufliche Promotion offen sein.

Nach der Promotion sollte es, je nach Neigung und Qualifikation, die Möglichkeit geben außerhalb der Wissenschaft beruflich tätig zu werden, befristet oder auf Dauer als MitarbeiterIn an der Hochschule tätig zu sein (Personalgruppen 2. und 3.) oder sich über eine Juniorprofessur weiter zu qualifizieren.

Die Verknüpfung von Arbeitsverhältnissen, Karrierewegen und zeitlichen Limitierungen macht den Beruf ‚WissenschaftlerIn“ gerade in Deutschland extrem verengt und riskant. So erweisen sich sogar Qualifizierungsmodelle mit vermeintlich gesicherter Perspektive wie der „tenure track“ für NachwuchswissenschaftlerInnen in Deutschland u.U. als ‚Straße ohne Wiederkehr‘, wenn sie von den Hochschulen konsequent betrieben würden: EinE an einer deutschen Hochschule negativ evaluierteR „tenure track“-KandidatIn müsste das Wissenschaftssystem verlassen, die Karriere wäre beendet, während dies beispielsweise in den USA kein Hindernis für eine Daueranstellung an einer anderen Hochschule wäre.

In Deutschland gibt es keine solche, seit langem gewachsene Kultur des „tenure track“, obwohl es aus Sicht der Institution doch eine sinnvolle Personalentwicklung bedeuten dürfte, hervorragende KandidatInnen nach der JuniorprofessorInnenzeit nicht ziehen zu lassen, sondern zu halten. Auf Grund der wenig differenzierten Hochschullandschaft in Deutschland, unterschiedlicher Handhabung in den Ländern, der schwierigen Stellensituation an den Hochschulen, aber auch der Vorliebe mancher ProfessorInnen, JuniorprofessorInnen weiter wie AssistentInnen zu behandeln, werden die im HRG geschaffenen Möglichkeiten wie Juniorprofessur und tenure track derzeit nicht konsequent und sehr uneinheitlich, oft zum Nachteil der KandidatInnen, genutzt. Sie drohen dadurch in Misskredit zu geraten. In einem Tarifwerk für die Wissenschaft könnten Aspekte wie die Mindestausstattung einer Juniorprofessur oder klare Spielregeln für den tenure track bundesweit geregelt werden, um mehr Transparenz und Verlässlichkeit zu schaffen.

4.7 Rahmentarifvertrag mit lokaler Ausgestaltung

Der Wissenschaftstarifvertrag sollte Rahmenregelungen (z.B. Arbeitszeit, Urlaubsanspruch, Altersversorgung, Teilzeit, …) enthalten, die an vielen Stellen jedoch vor Ort ausgestaltet werden können, besonders im Bereich der leistungsbezogenen Bezahlung (vgl. Chemnitzer Erklärung der UniversitätskanzlerInnen, September 2003). Das Prinzip der Grundvergütung plus leistungsorientierte Vergütung sollte nicht nur für ProfessorInnen gelten, auch für nichtprofessorale Mitglieder des Lehrkörpers und wissenschaftliche und technische MitarbeiterInnen soll dies möglich und durch jeweils hochschulspezifische Verfahren realisiert werden.

4.8 Tarifliche Vereinbarungen über die Personalstruktur der Hochschulen

Für Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist es wichtig, eine zu starke Abhängigkeit der Hochschulen und Forschungseinrichtungen von Drittmittelprojekten und dem damit verbundenen Arbeitsstil zu vermeiden. Seit einiger Zeit steht eine wachsende Zahl an Projektstellen (vgl. 4.3, Gruppe 3.) einer schrumpfenden Zahl von Dauerstellen im Mittelbau gegenüber – falls diese überhaupt noch vorhanden sind. Umgekehrt bringt ein zu großzügig bemessener Mittelbau (Gruppe 2.) die Gefahr von Inflexibilität und fehlender Innovation mit sich.

Strukturpläne, Stellenhaushalte und Personalbewirtschaftung müssen daher den Bedarf an festem „Mittelbau“ (Gruppe 2.) definieren und im Sinne von Planungssicherheit festschreiben. Wir schlagen vor, die Zahl der Dauerstellen im Mittelbau tariflich an die Zahl der Professuren zu koppeln, wobei hier nach standort- und fachabhängigen Kennziffern verfahren werden sollte. Das heißt aber nicht, dass diese Stellen einer Professur organisatorisch oder dienstrechtlich zugeordnet sein müssen. Vielmehr bietet sich hier die Möglichkeit, projekt- und aufgabenbezogene Stellen-Pools zu schaffen, etwa als Funktionsstellen (Sprachenzentren u.ä.) oder zur Bereitstellung der notwendigen Eigenleistung bei der Beantragung von Drittmitteln.

Komplementär zu einer derartigen Stellenbewirtschaftung bietet sich auch hier zur besseren Anpassung an die lokalen und fachlichen Gegebenheiten ein Rahmentarifvertrag an, der Gestaltungsmöglichkeiten offen lässt, die in einer Region oder an der einzelnen wissenschaftlichen Einrichtung individuell genutzt werden können.

Durch den Generationenwechsel werden derzeit sehr viele „Ex-Mittelbau“-Stellen frei, deren Stelleninhaber in den 70er und 80er Jahren zu ProfessorInnen ernannt worden sind. Wir schlagen vor, diese Chance zu nutzen, um eine Neujustierung des quantitativen Verhältnisses zwischen ProfessorInnen und „Mittelbau“ zugunsten des Mittelbaus vorzunehmen.

In einem weiteren Schritt sollte auch die Zahl der Qualifizierungsstellen (Gruppe 5.), die den Hochschulen / Forschungseinrichtungen aus Haushaltsmitteln zur Verfügung stehen, in Relation zu den vorhandenen Professuren und kennziffernbezogen festgeschrieben werden. Die Stellen im Drittmittel- und Projektbereich (Gruppe 3.) werden auch weiterhin vom Erfolg der Drittmitteleinwerbung abhängen. Die möglichst verlässliche und langfristige Festschreibung der Zahlenverhältnisse und die Verbreiterung des Mittelbaus (Gruppe 2.) hat also verschiedene Vorteile:

• Der Stellenplan könnte durch adäquatere Regelungen, nämlich fachlich und strategisch begründete Quoten, ersetzt werden

• Für junge WissenschaftlerInnen ergibt sich eine einschätzbare Option, statt einer Professur auch eine Dauerstelle im Mittelbau anzustreben. Der Weg zur „Wissenschaft als Beruf“ wird weniger riskant, da er nicht nur auf die wenigen Professuren hin orientiert sein muss.

• Eine derart strukturell verbesserte Personalausstattung der wissenschaftlichen Einrichtungen unterstützt bei richtiger Handhabung die aufgabenadäquate Bewirtschaftung und Zuweisung von Stellen, die längerfristige Planung und Realisierung von Forschungs- und Lehrprojekten sowie neuer Arbeitsschwerpunkte, die Beantragung von Sonderforschungsbereichen, die Einrichtung von Graduate Schools u.ä.

4.9 Gender Mainstreaming in allen Regelungsbereichen

Alle Regelungen im Tarifwerk, insbesondere zu den Personalkategorien (vgl. 4.3) und Tätigkeitsprofilen (vgl. 4.5), müssen die Lebensrealität von Frauen besonders berücksichtigen. Im Falle von Schwangerschaften sollten befristete Arbeitsverhältnisse sich entsprechend verlängern. Die oben aus wissenschaftspolitischen Überlegungen heraus entwickelten Teilzeitregelungen (vgl. 2.4) dienen auch dazu, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern.

Diese inhaltlichen Punkte können aber nur als Beispiele dafür angesehen werden, wo überall ein Wissenschaftstarifvertrag zur Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern beitragen kann. Um ein vollständiges Set von Maßnahmen zu erhalten, neue innovative Ansätze zur Chancengleichheit zu integrieren und ihre Auswirkungen realistisch abzuschätzen, sollte die Gleichstellungsperspektive fest im Erarbeitungsprozess des Tarifwerks verankert sein. Die Aushandlung tariflicher Regelungen ist ein komplexer, langwieriger Prozess. Es muss verhindert werden, dass geschlechterbezogene Aspekte im Laufe der umfangreichen Interessenabwägungen zwischen den Tarifparteien hintan gestellt werden. Dazu könnten erprobte Verfahren des Gender Mainstreaming, z.B. das in den Niederlanden entwickelte „Gender Impact Assessment“ (vgl. Mieke Verloo & Connie Roggeband in: Impact Assessment 14 (1996), S. 3-21. Für Anwendungen in der Forschungs- und Umweltpolitik wurde GIA ab 2000 vom ISOE, Frankfurt/M., weiterentwickelt und z.B. in einem Pilotprojekt des BMU erprobt.) in den Aushandlungsprozess integriert werden.

4.10 Flexibilität der Einrichtung versus Sicherheit des Arbeitsplatzes

Konkreter Regelungsbedarf besteht im Spannungsverhältnis zwischen mehr Flexibilität der Hochschule/Forschungseinrichtung und der Sicherheit für die ArbeitnehmerInnen.

Die mit der unbefristeten Beschäftigung der ProfessorInnen und des vergrößerten Mittelbaus verbundene Autonomie realisiert die grundgesetzliche Freiheit der Forschung und Lehre. Bei einschneidenden Strukturveränderungen innerhalb einer wissenschaftlichen Einrichtung sollten jedoch auch dauerhaft beschäftigte MitarbeiterInnen (langfristig auch ProfessorInnen) in letzter Konsequenz betriebsbedingt kündbar sein. Die bisher in diesen Fällen nach dem Kündigungsschutzgesetz greifende Sozialauswahl sollte durch adäquatere, definierte und transparente Verfahren ersetzt werden, die eine Beschäftigung in anderen Arbeitsbereichen oder an anderen wissenschaftlichen Institutionen fördern. Flexibilität sollte dabei honoriert werden.

Die Personalgruppen 2. und 3. unterliegen gänzlich verschiedenen Randbedingungen, die sich auch im WT widerspiegeln müssen. Für befristet Beschäftigte im Drittmittelbereich ist klar, dass sie, aus welchen Gründen auch immer, das oben beschriebene Privileg (noch) nicht genießen oder dies auch gar nicht wollen – was auch ein legitimer Lebensentwurf ist.

Hier sollte versucht werden, durch mehr Transparenz (siehe unten) und durch spezielle Sicherungssysteme prekäre Lagen zu verhindern. So sollten u.a. Mittelpools eingerichtet werden, die der Überbrückung und Abfederung nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses dienen.

Das Problem ‚Dauer- vs. Zeitverträge‘ ist sicherlich ein Schlüsselproblem eines WT und soll daher hier nochmals anders beleuchtet werden. Für zeitlich befristete Aufgaben (wie typischerweise Drittmittelprojekte) kommen a) unbefristete oder b) befristete Arbeitsverträge in Frage.

a) Diese Lösung entspricht der Lebensperspektive ‚WissenschaftlerIn‘ und setzt entweder vorhandene Dauerstellen voraus oder aber ein Arbeitsrecht, das es bei auslaufender Finanzierung des Arbeitsplatzes ermöglicht, an anderer Stelle im gleichen Betrieb weiterbeschäftigt zu werden, ggf. aber auch mit einer Überbrückungszahlung entlassen zu werden. Eine schlichte Anbindung der Kündigungsmöglichkeit an die Finanzierung der jeweiligen Stelle ist aber weder rechtlich möglich noch arbeitsmarktpolitisch wünschbar. Die Erfahrungen mit der ‚Sozialauswahl‘ des Kündigungsschutzgesetzes zeigen, dass ohne tiefe Eingriffe in das Arbeitsrecht die notwendige Beweglichkeit in diesem Berufsfeld nicht erreicht werden kann. Die auch vom BMBF favorisierte Variante ‚Unbefristete Tätigkeit auf Dauerstellen als Normalfall‘ dürfte auch zukünftig bei drittmittelfinanzierten Stellen nicht der Regelfall werden.

b) Der Abschluss zeitlich befristeter Arbeitsverträge entspricht zwar häufig dem Charakter der Tätigkeit, nicht unbedingt aber den Berufsperspektiven der Beschäftigten. Da sich aus dem allgemeinen Arbeitsrecht in bestimmten Fällen Gründe für eine Weiterbeschäftigung ableiten lassen oder aber zeitliche Arbeitsverträge missbräuchlich abgeschlossen werden, um das Kündigungsschutzrecht zu umgehen, braucht es auch für befristete Arbeitsverträge mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten (vgl. dazu auch 4.5). Damit ist freilich das Problem der Berufsperspektive und der sozialen Absicherung der Beschäftigten noch nicht gelöst. Großzügige Übergangsgelder, die aus angesparten Fonds gezahlt werden, können dieses Problem zwar mildern, aber nicht lösen.

Einen Königsweg in dieser Frage scheint es nicht zu geben, vermutlich werden beide Typen von Arbeitsverhältnissen koexistieren. Dennoch entschärft die Schaffung eines neuen Mittelbaus sicherlich das Problem der prekären, nicht freiwillig gewählten Projektkarrieren.

Anzustreben aber wäre zusätzlich eine höhere Transparenz der arbeitsvertraglichen Regelungen, insbesondere bei leistungsabhängiger Bezahlung, mehr Rechtssicherheit, ein funktionierender Arbeitsmarkt, der Anbieter und Nachfragende auf der Basis von Anforderungs- und Kompetenzprofilen zusammenbringt, eine klare Zuordnung von Qualifikationsvoraussetzungen und Tätigkeitsanforderungen, Weiterbildungs- und Umqualifizierungsangebote, besondere Regelungen für Alleinerziehende, Teilzeitangebote etc.

Von den gegenwärtig verschärften Bestimmungen der Arbeitsverwaltung (Zwang zur Annahme geringer qualifizierter Arbeit, Mobilitätsanforderungen etc.) sind auch Beschäftigte des Drittmittelbereichs betroffen. Phasen der Beschäftigungslosigkeit sind unter diesen Bedingungen immer weniger zur „Überbrückungsfinanzierung“ nutzbar. Hierfür müssen Lösungen über Fonds, Überbrückungsverträge usw. gefunden werden.

 

5. Umsetzungsschritte

Mit ihrer Positionierung will die BAG eine Diskussion in der grünen Partei und mit GesprächspartnerInnen wie Hochschulen und Gewerkschaften anregen. Wir bitten die grünen Fraktionen in Bund und Ländern, diese Diskussion über Anfragen, Anträge und Fachgespräche auf ihrer Ebene mitzutragen. Die Landesregierungen sollten sich nicht weiter dagegen sperren, im Rahmen der laufenden Reform des BAT mit den Gewerkschaften über ein mögliches Tariffenster für den Wissenschaftsbereich ins Gespräch zu kommen. Auf Bundesebene könnte eine Änderung des Tarifvertragsgesetzes in Angriff genommen werden.

 

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