Beschluss der 16. Mitgliederversammlung von Campusgrün in Halle (Saale) – 15.03.2008
http://www.campusgruen.de/aktuelles/beschluesse/1014759.html
Bildung ist ein Menschenrecht
Aus der Prämisse, dass Bildung ein Menschenrecht ist, folgt, dass alle Menschen unter gleichen Bedingungen Zugang zu Bildung haben müssen um sich selbst mit ihren Neigungen und Fähigkeiten einzubringen. Partizipationshürden gilt es erst gar nicht entstehen zu lassen oder abzubauen. Für postmoderne Gesellschaften spielen zwei Gerechtigkeitsaspekte eine zentrale Rolle, die als gleichberechtigt nebeneinander stehen müssen. Einmal die Chancengerechtigkeit – jeder Mensch muss die gleichen Chancen auf Bildung haben. Zum anderen die Finanzierungsgerechtigkeit – jeder muss den Anteil für ein gerechtes Bildungssystem leisten, den er leisten kann.
Bildung und Globalisierung
Im Zuge der Globalisierung und des sich verstärkenden Wettbewerbs der einzelnen Staaten und transnationale Regionen untereinander, wird die Bundesrepublik Deutschland mittelfristig nur wirtschaftlichen und politischen Einfluss nehmen können, wenn sie ihre Kernkompetenzen im Bildungsbereich weiter ausbaut. Aufgrund der Rohstoffarmut in Deutschland, lässt sich Wohlstand und soziale Gerechtigkeit nur durch ein umfassendes und selektionsfreies Bildungssystem verwirklichen. Dies heißt auch, dass das Bildungssystem nicht mehr unabhängig von verschiedenen Teilsysteme der Gesellschaft wie dem Steuer- oder Wirtschaftsystem betrachtet werden kann. Es befindet sich eingebettet in eine Vielzahl von verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereichen, die in gegenseitiger Wechselwirkung miteinander verbunden sind.
Situation in Deutschland
Im Jahre 2006 erklärte das BMBF: Es „entscheidet in keinem anderen Industriestaat die sozio-ökonomische Herkunft so sehr über den Schulerfolg und die Bildungschancen wie in Deutschland.“ Diese Aussage zeigt, wie dramatisch die Situation in der Deutschland aussieht und das letztlich nur mit einem radikalen Umbau des Bildungswesens und der Bildungsfinanzierung der negative Trend gestoppt. Hierbei muss schon bei der frühkindlichen Bildung angesetzt werden und eine Reform, die alle Bereiche des Bildungswesens erfasst, folgen.
Mit Blick auf den Hochschulbereich lassen sich folgende Ergebnisse festhalten: Im tertiären Bildungssektor liegt die Zahl der Studierenden in der BRD mit 38,8% (OECD 67,7%) weiterhin auf niedrigem Niveau. Auch stellt die Studierenden-Steigerungsquote von 8% keinen nachhaltigen Erfolg dar und zeigt, dass sich noch immer zu wenige Menschen für ein Studium entscheiden. Eine Studie des Hochschul-Informations-Systems in Hannover zeigt, dass ein wesentlicher Faktor, warum junge Menschen kein Studium aufnehmen, in der finanziellen Unsicherheit liegt. Hierbei ist noch einmal zu beachten, dass Studienberechtigte aus nicht akademischen Familien sich überdurchschnittlich oft gegen ein Studium entscheiden. Dennoch sind selbst unter Akademikerkindern rund 20% nicht bereit ein Studium aufzunehmen, weil der finanzielle Hintergrund fehlt oder nicht abschätzbare Risiken, wie Studiengebühren bestehen. Bei genauerem Blick auf die finanzielle Situation der Studierenden zeigt die 18. Sozialerhebung des DSW, dass jeder Dritte Studierende unter dem Richtwert der Familiengerichte (650€) liegt. Mit Blick auf den BAFöG-Höchstsatz hat immer noch jeder fünfte Studierende weniger Einkommen als der BAFöG-Höchstsatz festlegt zur Verfügung. Ausreichende Mittel haben letztlich nur ein fünftel der Studierenden mit über 900€ im Monat. Mit Blick auf die hohe Selektivität im Deutschen Bildungssystem kann die Reformierung der Studienfinanzierung nur ein Baustein eines umfassenden Umbaus sein.
Zukunft einer innovativen und gerechten Studienfinanzierung
Unter der Vorraussetzung, dass jeder angehende Studierende als für sich selbst verantwortliche Person betrachtet und somit unabhängig von seiner sozialen oder finanziellen Herkunft behandelt wird, fordert Campusgrün folgende Reform im tertiären Bildungsbereich. Jeder Studierende hat das Recht auf dieselbe Form und Art und Weise der Studienförderung. Nur so können junge Menschen autonom entscheiden, welchen Weg sie entsprechend ihrer Fähigkeiten und Neigungen einschlagen. Auch muss eine Studienförderung herkunftsunabhängig sein, so dass jeder immatrikulierte Studierende an einer Hochschule Anrecht auf Studienförderung hat. Sofern nicht spezifische Ausnahmegründe vorliegen, erlischt der Anspruch auf Förderungsleistung nach der Überschreitung der Regelstudienzeit um 4 Semester. Der ordnungsgemäße Studienfortschritt ist nachzuweisen. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen Studierende eine Unterstützung erhalten, die es ermöglicht, den Lebensunterhalt angemessen zu bestreiten, um so erfolgreich ein Studium abschließen zu können. Der Anspruch besteht nicht, wenn das tatsächlich verfügbare Einkommen des Studierenden über 10.000€ im Jahr, diese Höchstgrenze wird regelmäßig der Inflation angepasst. Zu den notwendigen Unterstützungsleistungen zählt die kostenfreie Versicherung in einer Krankenkasse. Des Weiteren soll eine Unterkunftsleistung in Höhe der jeweiligen Mietspiegel des entsprechenden Studienortes erbracht werden, so dass die Wahl des Studienortes nicht von den Mietpreisen der Studienstätte abhängig ist. Der dritte zentrale austein besteht in einer monatlichen Unterstützung von 420€, das zur Finanzierung der Lebenshaltungskosten, eines Büchergeldes sowie zur Teilnahme am kulturellen und gesellschaftlichen Leben dient.
Damit dieses Instrument auch nachhaltig wirkt, muss die Summe jährlichen der Inflation angepasst werden. Diese nterstützung wird als Vollzuschuss gewährt. Zur Unterstützung von jungen Müttern und Vätern werden zusätzliche Beihilfen gewährt, um die Familiengründung im Studium attraktiver zu gestalten und die Benachteiligung von Frauen aufzuheben. Um Praktika zu absolvieren oder Aufwendungen zu finanzieren, die die Förderhöhe übersteigen, ist ein Zuverdienst in Höhe von 400€ monatlich möglich. Für die Verwaltung und Auszahlung der Beträge ist die Kindergeldkasse zuständig. Sie überprüft bisher inwiefern junge Menschen Kindergeld berechtigt sind und würde nun ie neuen Aufgaben ohne größere zusätzliche bürokratische und somit kostensteigende Maßnahmen weiterführen. Ein Immatrikulationsnachweis, sowie entsprechende Nachweise in Sonderfällen reichen aus. Die BAföG-Ämter werden nicht mehr benötigt, dies setzt zusätzliche Summen in der Finanzierung frei. Für das Studium dürfen keine Studiengebühren erhoben werden. Um die Vorrausetzung der Finanzierungsgerechtigkeit zu erfüllen, sind Steuermaßnahmen notwendig die gerade jene gesellschaftlichen Gruppen betreffen, die finanziell besser gestellt sind. Somit ergibt sich eine Anhebung des Spitzensteuersatzes, oder eine intensivere Besteuerung von Kapitelerträgen, wie auch die Abschmelzung des Ehegattensplittings als notwendig und sozial gerecht. Das vorliegende Konzept versucht unter dem Grundsatz, dass Bildung ein Menschenrecht ist, die Autonomie junger Menschen ernst zu nehmen, indem sie aus Abhängigkeiten gelöst werden und möchte zum anderen eine Grundsicherung ermöglichen, die es erlaubt ein Studium ohne finanzielle Nöte oder Verschuldung abzuschließen.
http://www.campusgruen.de/aktuelles/beschluesse/1014752.html
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