PRESSEMITTEILUNG der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
NR. 1114
Datum: 22. Oktober 2008
Zum Abschluss des heutigen Bildungsgipfels in Dresden erklären die bildungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen in der Bundestagsfraktion und in den Bundesländern:
Das Ergebnis des Bildungsgipfels ist ein Desaster. Der seit Monaten von der Bundeskanzlerin groß angekündigte Aufbruch in die Bildungsrepublik bleibt in kleinkarierten Kompetenzstreitigkeiten von Bund und Ländern stecken, bevor er überhaupt richtig begonnen hat.
Doch die Bundeskanzlerin macht gute Miene zum schlechten Ergebnis. So versucht sie zu vertuschen, dass sie von den eigenen Ministerpräsidenten brutal ausgebremst wurde. Denn das Ergebnis der Showveranstaltung Bildungsreise ist so ernüchternd, wie es vorhersehbar war. Statt konkreten Zielvorgaben und Finanzierungsverpflichtungen präsentiert Merkel nun aufpolierte Ladenhüter in neuer Verpackung. Aber das reicht nicht!
Ein Bremsklotz wurde dabei besonders deutlich: das von der Föderalismusreform I eingeführte Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Schulpolitik. Hier liegt die Wurzel vielen Übels.
Denn das erfolgreiche Ganztagsschulprogramm, das Rot-Grün 2003 gestartet hat, kann dadurch nicht fortgesetzt werden. Wir fordern ein gebundenes Ganztagsangebot an allen Schulen bis 2020 und das längere gemeinsame Lernen.
Hier müssen Bund und Länder endlich konkrete Verpflichtungen eingehen.
Der Ausbau der Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder unter 6 und vor allem unter 3 Jahren läuft weiterhin viel zu langsam und schleppend. Hier wurden auf dem Bildungsgipfel keinerlei weitergehende Zusagen gemacht. Wir fordern für jedes Kind ab der Vollendung des ersten Lebensjahres einen Rechtsanspruch auf einen qualitativ hochwertigen ganztägigen Kita-Platz. Wir brauchen eine Qualitätsoffensive unter Beteiligung des Bundes, mit Qualitätsstandards und Qualitätsüberprüfung für die Kinderbetreuung.
Das Recht auf Ausbildung für Jugendliche muss umgesetzt werden, das demotivierende „Verwahren“ von Jugendlichen in Warteschleifen muss aufhören.
Doch außer lahmen Absichtserklärungen hat der Bildungsgipfel auch hier nichts Konkretes fertig gebracht. Wir wollen stattdessen eine echte Ausbildung an überbetrieblichen Ausbildungsstätten und in Betrieben ermöglichen. Für Schulabbrecher wollen wir mehr Produktionsschulen.
Mehr junge Menschen und mehr berufliche Qualifizierte müssen einen Studienplatz finden können. Dafür müssen sich Bund und Länder auf Grundzüge eines effektiveren Hochschulpakts einigen. Die Debatte um die Studiengebühren zeigt:
Zwar reden alle vom Fachkräftemangel und von der fehlenden Durchlässigkeit des Bildungssystems. Die abschreckende Wirkung von Studiengebühren nehmen sie trotzdem hin. Alles Reden über die ungenutzten Potenziale erweist sich damit als Augenwischerei. Wer wirklich mehr Studierende will, muss Gebühren abschaffen und flächendeckende NCs abbauen.
Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund sind in allen Stufen unseres Bildungssystems Benachteiligungen ausgesetzt. Die Kopplung zwischen sozialem Status der Herkunftsfamilie und erworbenen Kompetenzen in unserem Schulsystem ist ein direkter Indikator für die Bildungsbenachteiligung dieser Gruppe. Um die Chancen von Kindern aus sozial schwachen Familien und mit Migrationshintergrund nachhaltig zu verbessern, sind gezielte Förderprogramme zum Abbau von Sprachdefiziten und dem Erwerb fehlender Schulabschlüsse unabdingbar.
All diese Vorhaben kosten Geld: Aber gerade bei der verbindlichen Finanzierung ist der Bildungsgipfel grandios gescheitert! Das Gefeilsche um einen höheren Länderanteil an der Mehrwertsteuer und der Verwendung der Demographiereserve hat dazu geführt, dass keinerlei neues Geld verbindlich zugesagt wurde. Dabei gibt es genug Instrumente, um die Finanzierung dieser zentralen Vorhaben sicherzustellen. Beispielsweise sollten für die Föderalismusreform II der Bildungssoli und die Bewertung von Bildungsausgaben als Investitionen vereinbart werden. Allein mit dem Bildungssoli könnten 23 Milliarden Euro bis 2019 für die Verbesserung des Bildungssystems eingesetzt werden. Aber auch die Reform der Erbschaftssteuer könnte neue Finanzierungsmöglichkeiten für die Zukunftsaufgabe Bildung bereitstellen. Stattdessen wird diese auf dem Altar der bayerischen Eitelkeiten geopfert.
Diese klaren und verbindlichen Vereinbarungen hätten getroffen werden müssen – stattdessen gab es nur laue Verabredungen und schale Absichtserklärungen.
Früher nannte man Dresden das Tal der Ahnungslosen – in Zukunft wird es wohl eher als das Tal der Bildungstränen in Erinnerung bleiben.
Priska Hinz ist bildungs- und forschungspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion
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