Green the future – Grüne Forschungs- und Technologiepolitik für eine zukunftsfähige Gesellschaft

Beschluss der Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschafts-, Hochschul- und Technologiepolitik von Bündnis 90 / Die Grünen vom 5.05.2001
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützen Forschung und technischen Fortschritt als Mittel, durch die unsere Lebensqualität verbessert und bereichert, eine nachhaltige, zukunftsfähige Gesellschaft gestaltet und die Wettbewerbskraft der Unternehmen gestärkt werden können. Wir begreifen Forschungs- und Technologiepolitik als einen entscheidenden Hebel, um die Voraussetzungen für den ökologischen Umbau der Gesellschaft zu schaffen. Unser nachdrückliches und erfolgreiches Eintreten für eine kontinuierliche Steigerung der Mittel für Bildung und Forschung und für eine verstärkte Berücksichtigung ökologischer Aspekte in der Forschungspolitik auf Bundesebene insbesondere im Bereich der Energieforschung ist ein Signal dafür, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine aktive, gestaltende Rolle bei der Entwicklung einer ökologisch orientierten Forschungs- und Technologiepolitik für die Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts einnehmen.

1. Grüne Forschungs- und Technologiepolitik für eine nachhaltige Umweltpolitik

Für eine Umweltpolitik, die Alternativen zu ressourcenvergeudenden und umweltgefährenden Strukturen durchsetzen will, ist eine mit diesen Zielsetzungen korrespondierende Forschungs- und Technologiepolitik unentbehrlich. Fortschritte in der Umweltmesstechnik und -analyse sind notwendige Voraussetzungen, um Umweltgefährdungen klarer zu erkennen und einzuschätzen sowie die Bürgerinnen und Bürger wirkungsvoller von der Notwendigkeit gesellschaftlicher und politischer Maßnahmen überzeugen zu können. Für die Verwirklichung ökologisch verträglicher Entwicklungspfade der Gesellschaft müssen realitätstaugliche umweltgerechte technologische Optionen verfügbar sein, mit denen der Öffentlichkeit demonstriert werden kann, dass eine ökologische Zukunft nicht mit Einschränkungen an Lebensqualität verbunden ist. Die Energiewende ist ohne technologische Fortschritte bei den erneuerbaren Energien und Energiespartechnologien ebenso wenig möglich wie die Verkehrswende ohne Innovationen bei Mobilitätskonzepten und Transporttechnologien. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Kreativität und Erfindungsgeist, um neue technische und gesellschaftliche Lösungen zu finden und zu fördern, durch die die vielfältigen Lebensbedürfnisse von Menschen befriedigt werden können, ohne langfristig ökologische und soziale Gefahren hervorzurufen.

Wie die letztjährige Weltingenieurtag oder Initiativen des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) zeigen, schließen sich IngenieurInnen und ForscherInnen, gerade auch in Deutschland, zunehmend der Überzeugung an, dass technische Entwicklungsarbeit von Anfang an mögliche ökologische Auswirkungen im Blick haben muss. Die Tatsache, dass Deutschland auf dem Weltmarkt für Umweltschutzgüter eine führende Position einnimmt, beruht auf der Kreativität und dem Engagement der zahlreichen WissenschaftlerInnen und IngenieurInnen, die dem Umweltschutzgedanken positiv gegenüberstehen. Wir wollen, dass Deutschland in diesem Bereich weiterhin eine Vorreiterrolle spielt und damit auch einen Beitrag zur Bewältigung der globalen Umweltkrise leistet. Deshalb werden BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sich auch in Zukunft nachdrücklich für die gezielte Förderung umweltpolitisch wichtiger Forschungs- und Entwicklungsvorhaben einsetzen. Die Forschungsarbeiten zur Realisierung der Energie-, der Mobilitäts- und der Agrarwende müssen ausgeweitet und ressortübergreifend abgestimmt werden, so wie es innerhalb des Aktionsprogramms “Umwelt und Gesundheit” beispielhaft begonnen wurde. Es sollte neu geprüft werden, ob die erforderlichen Finanzmittel für diese ökologische Forschungs- und Innovationsoffensive  teilweise aus dem Aufkommen der Ökosteuer bereitgestellt werden können.

Technologiepolitisch ist auch zu beachten, dass die weltweiten Umweltprobleme nur bewältigt werden können, wenn auch Dritte-Welt-Staaten Zugang zu umweltschonenden Technologien erhalten. Daher muss im Einklang mit den Ergebnissen der Konferenz von Rio der Technologietransfer zwischen den Ländern des Nordens und des Südens verstärkt und diesem Ziel in der Entwicklungspolitik mehr Beachtung geschenkt werden. Die Entwicklung angepasster Technologien, die den besonderen Rahmenbedingungen in Dritte-Welt-Staaten Rechnung tragen, ist deshalb gezielt zu fördern.

2. Forschung und Innovation als Chance für die neuen Bundesländer

Die Stärkung der Innovationskraft und der technologischen Kompetenz in den neuen Bundesländern sowohl in der Wirtschaft als auch in Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen ist ein wichtiger Hebel, um die Wirtschaftskraft der neuen Länder dauerhaft zu verbessern und die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Ost- und Westdeutschland voranzutreiben. Ziel ist, die Produktion hochwertiger Güter und Dienstleistungen in den neuen Ländern auszuweiten. Dies wird jedoch nur gelingen, wenn in der ostdeutschen Wirtschaft die Forschungskapazitäten ausgebaut werden und sich der Anteil der in Forschung und Entwicklung Beschäftigten an den Erwerbstätigen dem westdeutschen Durchschnitt annähert. Dies ist eine langfristige Aufgabe, die noch für eine erhebliche Zeit auf Bundesebene eine gezielte Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiepolitik zugunsten der ostdeutschen Länder erfordert. Nach unserer Auffassung sind Mittel zur Stärkung der Forschungs- und Technologiestruktur in den neuen Bundesländern langfristig elementarer als Maßnahmen zur Infrastrukturförderung. Wir werden uns deshalb dafür einsetzen, dass

          die Industrieforschung in Ostdeutschland bis auf weiteres durch gezielte, gesonderte Förderprogramme mit einem hohem Finanzvolumen unterstützt wird. Überlegungen, die Sonderförderung zu beenden und zu Fördermechanismen überzugehen, die die Differenzen zwischen Ost und West nicht mehr berücksichtigt, halten wir für verfrüht. Die Förderbedingungen für Industrieforschung in Ostdeutschland müssen so ausgestaltet werden, dass nicht nur kleine und mittlere Unternehmen (KMU) von den Fördermaßnahmen profitieren, sondern auch Forschungseinheiten, die – z.B. durch eine Angliederung oder Unternehmensverflechtung mit größeren Firmen – nicht den KMU zugerechnet werden. Durch eine derartige, ausschließlich standortbezogene FuE-Förderung soll der wichtigsten Strukturschwäche der ostdeutschen Industrieforschung, dem weitgehenden Fehlen von Forschungszentren der Großunternehmen, entgegengewirkt werden.

           die Zusammenführung und Stärkung von Innovationskompetenzen in ostdeutschen Regionen, wie sie im Inno-Regio-Programm und in dem neuen Programm “Innovative regionale Wachstumskerne” gefördert werden, längerfristig unterstützt wird. Dabei muss dafür gesorgt werden, dass nicht nur die besonders herausragenden Anträge gefördert werden, sondern dass auch Regionen weitere Chancen bekommen, die im ersten Anlauf noch nicht allen Ansprüchen hinreichend genügen konnten.

          die Leistungsfähigkeit der Hochschulen in den neuen Bundesländern erhalten und gesteigert und ihre Funktion im Bereich des Wissenstransfers weiter ausgebaut wird. Die Attraktivität der Hochschulen sowohl für Studierende als auch für den wissenschaftlichen Nachwuchs und ProfessorInnen muss deutlich erhöht werden. In diesem Rahmen ist eine kurzfristige Angleichung der Vergütungen für WissenschaftlerInnen in Hochschulen und öffentlich finanzierten Wissenschaftseinrichtungen (bisher BAT-O) an das Vergütungsniveau in Westdeutschland dringend notwendig, um den bisher bestehenden gravierenden Konkurrenznachteil der neuen Bundesländer in der Konkurrenz um qualifizierte ForscherInnen zu beseitigen.

          die gewachsenen Kontakte der ostdeutschen Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen zu Partnerinstitutionen in Osteuropa erhalten und ausgebaut werden. Diese Kooperationen können eine wichtige Vorreiterfunktion beim Zusammenwachsen der Wissenschaft in einem erweiterten Europa übernehmen und zugleich wichtige Impulse für die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den osteuropäischen Staaten geben.

3. Technologieförderung, Vorsorgeforschung und Risikoanalysen als gleichberechtigte Elemente

Angesichts des durch die Globalisierung verschärften wirtschaftlichen Konkurrenzdrucks ist es eine zentrale Funktion der Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiepolitik, die nationalen Innovationspotentiale zu stärken und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu erhöhen. Eine einseitige, kurzsichtig agierende Technikförderpolitik, die undifferenziert wirtschaftlich verwertbare technische Neuerungen vorantreibt und nicht hinreichend möglichen unbeabsichtigten Folgewirkungen und Risiken Aufmerksamkeit schenkt, birgt jedoch grundsätzlich die Gefahr, dass sich die geförderten Entwicklungen als problematisch erweisen und wirtschaftliche Schwierigkeiten statt wirtschaftlicher Erfolge erzeugen. Das jüngste Beispiel hierfür ist die Ausbreitung von BSE durch eine bedenkenlos auf Höchstleistungsproduktion hin entwickelte Rinderhaltung , die nun zu wirtschaftlichen Schäden in Milliardenhöhe geführt hat. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich demgegenüber seit langem dafür ein, in der Forschungs- und Technologiepolitik die Förderung wirtschaftlich viel versprechender Forschungsfelder mit einer intensiven Analyse von möglichen Folgewirkungen und Risiken neuer oder bestehender Technikentwicklungen (Wissenschafts- und Technikfolgenabschätzung) zu verbinden. Nicht nur in der Gentechnik müssen mögliche Gefahren und Probleme neuer technischer Möglichkeiten frühzeitig, intensiv und ergebnisoffen analysiert und öffentlich diskutiert werden. Es ist beispielsweise ein Gebot technischer und wirtschaftlicher Vernunft, im Bereich der Telekommunikation nicht nur technische Innovationen, sondern auch Untersuchungen über die Auswirkungen der damit verbundenen elektromagnetischen Strahlung (Elektrosmog) zu fördern. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden auch in Zukunft für eine Politik stehen, die eine kritische Reflexion technischer Entwicklungen nachdrücklich einfordert und sich dagegen wendet, solche Reflexion als technik- oder wissenschaftsfeindlich zu diskreditieren.

Wir treten jedoch zugleich dafür ein, im Interesse der Steigerung der Lebensqualität und der Wirtschaftskraft das hohe wissenschaftliche und technologische Leistungsniveau in  Deutschland durch eine breit angelegte Forschungs- und Technologieförderung zu erhalten und weiterzuentwickeln. Neben wirtschaftlich wichtigen Themenfeldern müssen Fragestellungen der gesellschaftlichen Zukunftsvorsorge wie z.B. die Klimaforschung oder die Erforschung seltener Krankheiten, die keine kommerzielle Verwertung versprechen, sowie Untersuchungen zu alternativen Entwicklungsoptionen zum Beispiel in der Landwirtschaft angemessen berücksichtigt werden. Die forschungs- und technologiepolitische Förderung von Innovationen in Branchen wie der Kfz-Industrie, der Luftfahrtindustrie oder der Chemischen Industrie, deren Produktion bzw. Produkte teilweise mit erheblichen Umweltgefährdungen und -schäden verbunden sind, muss stärker als in der Vergangenheit ökologische Zielsetzungen berücksichtigen. Allerdings ist nicht eine undifferenzierte Reduktion von Förderbereichen, sondern eine inhaltliche Umorientierung der Forschungs- und Technologiepolitik mit klaren Gestaltungszielen die Konsequenz grüner Kritik an den industriell erzeugten Umweltgefahren. Nur mit einer derartigen neuen Ausrichtung der FuT-Politik kann nach unserer Überzeugung die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in Deutschland auch langfristig gesichert und gestärkt werden.

4. Forschungs- und Technologiepolitik an den Bedürfnissen der Menschen orientieren

Die politische Gestaltung technologischer Entwicklung darf sich nicht darauf beschränken, das zu fördern, was technisch möglich erscheint. Das Instrument der Technologievorausschau, wie es in den Delphi-Studien auf der Grundlage von ExpertInnenbefragungen realisiert wurde, muss durch ein Verfahren ergänzt werden, in dem das Ziel der verbesserten und zugleich umweltgerechten Befriedigung von Lebensbedürfnissen z.B. im Bereich des Wohnens, der Mobilität und der Kommunikation in einer langfristigen Perspektive im Mittelpunkt steht. Statt technischer Detailverbesserungen muss die Leistungsfähigkeit soziotechnischer Systeme insgesamt beachtet und gesteigert werden. Entsprechende Analysen, bei der auch geschlechtsspezifische Wirkungen zu thematisieren sind, müssen analog zum niederländischen Forschungsprogramm “Nachhaltige Technikentwicklung” (DTO) zum Ausgangspunkt von forschungspolitischen Fördermaßnahmen gemacht werden. Die verstärkte Verknüpfung technischer Forschung und Entwicklung mit sozialwissenschaftlichen und ökologischen Untersuchungen soll als strategisch wichtiges Element im Kontext von Forschung und Entwicklung deutlicher anerkannt und sowohl finanziell als auch im Hinblick auf Förderstrukturen und Karrieremöglichkeiten gestärkt werden. Nachgewiesene Kompetenz und die Bereitschaft zur einschlägigen Kooperation muss ein wichtiges Kriterium von Fördermaßnahmen in Forschung und Entwicklung werden. Die verstärkte Förderung der Verschränkung von Ingenieur- und Sozialwissenschaften ist aus unserer Sicht zugleich eine notwendige Konsequenz des Übergangs zur Dienstleistungsgesellschaft, in der wirtschaftlicher Erfolg nicht mehr allein durch den Verkauf technisch attraktiver Produkte, sondern zunehmend durch die Entwicklung umfassender Dienstleistungsangebote zur Befriedigung von Kundenbedürfnissen erreicht wird.

5. Forschungs- und Technologievielfalt fördern

Eine zukunftsfähige Gesellschaft muss Wert auf eine große Vielfalt verfügbarer technologischer Optionen legen. Die einseitige Konzentration auf eine oder wenige Technologielinien kann bei unerwartet auftretenden oder erst spät erkannten Funktionsproblemen oder Umweltschädigungen gravierende Folgen hervorrufen. Die jahrzehntelange bevorzugte Förderung der Atomenergietechnologie zeigt beispielhaft die Gefahren einer solchen technologiepolitischen Einseitigkeit. Ähnlich ist gegenwärtig die medizinische Forschung durch eine übermäßige Konzentration auf gentechnologische Ansätze gekennzeichnet.

Solchen Tendenzen treten wir im Interesse von Forschungs- und Technologievielfalt deutlich entgegen. Vielmehr sollte Forschungs- und Technologiepolitik verstärkt bewusst Forschungsarbeiten an alternativen Technik- bzw. Entwicklungsoptionen vorantreiben und auch ForscherInnen unterstützen, die abseits der Hauptlinien technologischer Forschung an Innovationen arbeiten.

Neben der Konzentration auf bestimmte Förderschwerpunkte muss hinreichend Spielraum für die Förderung von technischen Entwicklungen, von Eigeninitiative und Kreativität ohne thematische Vorgaben bestehen. Daher setzen wir uns auch für eine ausreichende Förderung der Grundlagenforschung ein.

6. Zugang zu Wissen und Umgang mit Wissen

In der Wissensgesellschaft werden die Möglichkeiten des Zugangs zu bzw. des Erwerbs von Wissen zu einem entscheidenden Faktor für Wohlstand und Lebensqualität, aber auch für Macht und Kontrolle. Die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien wird zu einer grundlegenden Kulturtechnik wie Schreiben und Rechnen. Ihre Beherrschung ist eine Voraussetzung für die Teilhabe der Einzelnen am wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben.

Es ist eine Aufgabe des Bildungswesens, diese neue Kulturtechnik allgemein zu vermitteln und eine soziale Spaltung in NutzerInnen und Nicht-NutzerInnen der IuK-Technologien zu vermeiden. Bei der Technologieförderung im Bereich der IuK-Technologien muss darauf geachtet werden, dass auch für Teilgruppen wie z.B. Alte und Behinderte nutzerfreundliche IuK-Technologien verfügbar sind. Neuartige Probleme des Zugriffs und Zugangs zu Wissen im Zusammenhang mit neuen Technologien stellen sich auch bei der Nutzung des Internets (Datenschutz), der Gendiagnostik sowie der Patentierung von Software und von gentechnischen Innovationen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden sich dafür einsetzen, dass die Bürgerinteressen am Wissenszugang gewahrt und ggf. durch entsprechende Gesetzgebung die Bürgerrechte in diesem Bereich abgesichert und gestärkt werden.

7. Wissenschaft – Wirtschaft – Gesellschaft

Um den Wissensfluss zwischen der Wissenschaft und der Wirtschaft, anderen Organisationen und der Öffentlichkeit zu verbessern, die Umsetzung von neuem Wissen in praktische Innovationen zu beschleunigen und zugleich eine lebendige gesellschaftliche Auseinandersetzung über wissenschaftliche Entwicklungen, ihre Chancen und ihre Gefahren zu fördern, müssen sich die Hochschulen und Forschungseinrichtungen noch stärker öffnen. Technologietransfer, Ausgründungen und start-up-Firmen, aber auch Kooperationen mit Gewerkschaften, Umweltverbänden usw. müssen ausgebaut werden. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützen Initiativen, die einen offenen Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft vorantreiben. Denn eine aufgeklärte Wissensgesellschaft braucht mündige BürgerInnen und WissenschaftlerInnen, die die Möglichkeiten und Grenzen von Forschung und ihren Ergebnissen realistisch einschätzen und fundiert bewerten können.

Ein produktiver und offener Austausch innerhalb der Wissenschaft sowie zwischen Wissenschaft und Gesellschaft kann allerdings nur gelingen, wenn es einen finanziell hinreichend abgesicherten Freiraum für Grundlagenforschung in den Hochschulen gibt. Eine einseitige Ausrichtung der Hochschulforschung auf rasche gesellschaftliche Verwertbarkeit würde die Wissenschaftsfreiheit einengen, die Funktion der Hochschulen als kreative Ideengeber verringern und sie langfristig dadurch als Dialogpartner für Wirtschaft und Gesellschaft weniger interessant werden lassen.

8. Forschung und Technologie braucht wissenschaftliche Neugier und engagierten Nachwuchs

Die Leistungsfähigkeit des Forschungs- und Technologiestandorts Deutschland hängt wesentlich davon ab, dass hinreichend viele junge, qualifizierte Menschen für eine Tätigkeit in Forschung und Entwicklung motiviert werden können. Die Rahmenbedingungen dafür sind derzeit unbefriedigend. In den Lehrplänen der Schulen kommt Technik kaum vor. Die Naturwissenschaften finden in der gymnasialen Oberstufe unzureichend Interesse und werden oftmals anwendungsfern, mit unzureichenden Voraussetzungen für eigenständiges Experimentieren und Lernen der SchülerInnen und entsprechend mäßigem Lernerfolg unterrichtet. Das Heranführen an eine selbstständige, reflektierte Auseinandersetzung mit modernen technischen Entwicklungen und ihren Chancen und Gefahren kommt nur in Ausnahmefällen zu Stande. Deshalb setzen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sich dafür ein, dass die in den letzten Jahren begonnenen vielfältigen Aktivitäten von Hochschulen, Hochschulinstituten und einzelnen HochschullehrerInnen, sich zur Schule hin zu öffnen und durch spezielle Angebote die wissenschaftliche Neugier Jugendlicher zu wecken, verstärkt werden. Zugleich müssen der Anwendungsbezug des naturwissenschaftlichen Unterrichts erhöht und die Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen ausgeweitet werden.

Auch an den Hochschulen müssen die Bedingungen verbessert werden, damit mehr Studierende sich für eine Forschungstätigkeit interessieren. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützen den Ausbau von Mentoring und Tutoring, da die persönliche Beziehungen zwischen Studierenden und HochschullehrerInnen für die wissenschaftliche Entwicklung der Studierenden oft prägend wirkt und der/die forschende HochschullehrerIn eine wichtige Vorbildfunktion hat. Dabei muss insbesondere darauf geachtet werden, dass Frauen gezielt in diese Maßnahmen einbezogen werden und damit das verfügbare Qualifikationspotentials von Frauen endlich besser ausgeschöpft wird. Darüber hinaus sollte die Selbstständigkeit von jungen WissenschaftlerInnen unterstützt und ihnen die Möglichkeit eingeräumt werden, sich möglichst früh durch eigene Forschungsarbeiten in der (Fach-)Öffentlichkeit zu präsentieren. Die eingeleitete Reform des Dienstrechts an Hochschulen führt in dieser Hinsicht mit der Einführung der Juniorprofessur zu einem wichtigen Fortschritt.

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